Wie entsteht eine Awareness-Kampagne? In diesem Artikel bekommst du einen Einblick, wie die Kampagnenstrategie hinter #UnbequemeRealitäten entwickelt wurde – welche Herausforderungen, Strategien und kreativen Ansätze stecken hinter einer Kampagne, die nicht nur aufklärt, sondern zum Umdenken und Handeln auffordert.

Im Januar 2024 stellte der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) Fördermittel für Universitäten zur Verfügung, um gezielt gegen Rassismus vorzugehen. Die Universität Hamburg ergriff diese Gelegenheit, organisiert von der Stabsstelle für Internationales (PIASTA) finden daraufhin im Oktober 2024 die so genannten Awareness-Wochen statt. Begleitet werden sollen die auf dem Campus stattfindenden Veranstaltungen durch eine online Kampagne. Der Fokus der Kampagne lag darauf, Rassismus sichtbar zu machen und Studierende zu ermutigen, sich kritisch mit dem Thema auseinanderzusetzen und aktiv ins Handeln zu kommen.
Aber wie entwickelt man eine solche Kampagne, die nicht nur informiert, sondern auch emotional bewegt?

1. Die Ausgangslage verstehen: Analyse und Zielsetzung
Das Kampagnengerüst haben wir mit dem Theory of Change Modell erarbeitet. Dabei geht es im ersten Schritt darum, das Problem konkret unter die Lupe zu nehmen, dabei auch Ursachen und Folgen zu beleuchten. Diese helfen uns bei der Suche nach geeigneten Maßnahmen.
In einem ersten Workshop mit PIASTA und Christoph Hassler, Diversity-Berater, haben wir die aktuelle Situation an der Uni Hamburg identifiziert – die sich übrigens auch auf unsere Gesellschaft im Gesamten übertragen lässt. Eine der wichtigsten Erkenntnisse: Viele Studierende lehnen Rassismus zwar klar ab, sehen aber nicht unbedingt die eigene Rolle im Fortbestehen von rassistischen Strukturen. Das Ziel der Kampagne war es also, nicht nur Bewusstsein zu schaffen, sondern auch Verständnis und Kontext der bestehenden Strukturen zu schaffen, um somit konkrete Handlungsansätze zu bieten. Danach konnten wir in einem Brainstorming erörtern, welche Maßnahmen und konkreten Call to Actions zur Überwindung des Problems beitragen können.
Für die Kampagne haben wir zwei Ziele definiert:
Primäres Ziel: Die Studierenden sollen erkennen, wie auch sie unbewusst rassistische Strukturen weitertragen und lernen, diese zu durchbrechen.
Sekundäres Ziel: Die Zielgruppe soll die Veranstaltungen besuchen. Dort sollen sie befähigt werden, aktiv antirassistisch zu handeln, sei es im Alltag oder im Hochschulkontext.

2. Konzeptaufbau: Die drei Ebenen der Kampagne
Bei der Entwicklung einer Kampagne wie #UnbequemeRealitäten ist es entscheidend, die inhaltliche, kommunikative und informative Ebene klar zu trennen und strategisch miteinander zu verbinden:
Inhaltliche Ebene: Auf dieser Ebene haben wir unterschiedliche Formen von Rassismus thematisiert – von individuellem über strukturellen bis hin zu institutionellem Rassismus. Unser Ziel war es, aufzuzeigen, wie tief Rassismus in unserem Alltag verwurzelt ist und dass er nicht nur die offensichtlichen, sondern auch subtile und unsichtbare Formen umfasst. Diese Inhalte bildeten die Grundlage der gesamten Kampagne.
Kommunikative Ebene: Hier setzten wir auf eine mutige, provokante Herangehensweise. Anstatt das Storytelling zu nutzen, um zur Empathie aufzurufen, entschieden wir uns bewusst, den Weg zu thematisieren, den weiße Menschen durchlaufen, wenn sie beginnen, sich mit Rassismus auseinanderzusetzen – ein Prozess, der häufig mit White Fragility in Verbindung steht. Mit Aussagen wie „Du sprichst aber gut Deutsch“ ist kein Kompliment.“ wird die Zielgruppe direkt angesprochen und herausgefordert, die eigene Position kritisch zu hinterfragen.
Informative Ebene: Ein großes und sensibles Thema lässt sich nicht mit 7 Posts erklären. Über provokante Social-Media-Posts haben wir Aufmerksamkeit geweckt, während eine umfassende Landing Page weiterführende Informationen, ein Glossar und Links zu den Veranstaltungen der Awareness-Wochen bot. Die informative Ebene bildete den roten Faden der Kampagne und ermöglichte es den Studierenden, sich auf unterschiedlichen Ebenen zu informieren und aktiv zu werden.
3. Kreativstrategie: Die Kraft der Provokation
Nach Analyse und Konzeption ging es um die kreative Ausarbeitung. Unsere zentrale Idee: Emotionen wecken, um zum Handeln anzuregen. Inspiriert von Tupoka Ogettes „Exit Racism“ setzten wir auf provokante Aussagen, die zum Nachdenken anregen und gleichzeitig praktische Handlungsansätze vermitteln.
Ein Beispiel: „Das sind aber viele weiße Männer“ ist immer noch Realität in der Wissenschaft. Auch bei uns an der Uni.” Diese Aussage verdeutlicht, dass das Problem nicht über Nacht gelöst werden kann, sondern kontinuierliches Engagement erfordert. Andere Aussagen wie „Rassismus fängt nicht erst bei offenen Beleidigungen an. Manchmal reicht die eigene Körpersprache.“ sollen Studierende direkt ansprechen und anregen, die eigenen Denk- und Verhaltensweisen zu reflektieren. Jede Aussage wird mit Kontext und einem praktischen Handlungsansatz gekoppelt. Diese Kombination stellt sicher, dass die Kampagne nicht nur emotional, sondern auch handlungsorientiert ist.

4. Visualität: Das Key-Visual als Spiegel der Emotionen
Ein zentrales Element jeder Kampagne ist das visuelle Erscheinungsbild. Für #UnbequemeRealitäten entwickelten wir ein Key-Visual, das die emotionalen Reaktionen von Menschen in den Vordergrund stellt. Die Denk- und Sprechblasen zeigen Emotionen wie Scham, Wut und Erkenntnis – genau die Gefühle, die auch bei den Studierenden geweckt werden sollten, wenn sie über ihre Rolle in rassistischen Strukturen nachdenken.
Damit wurde ein persönlicher und gleichzeitig gesellschaftlicher Bezug hergestellt, der den Kern der Kampagne widerspiegelt: Rassismus erkennen, verstehen und aktiv handeln.

5. Kampagnenmechanik: Von snackable zu tiefen Infos
Die Herausforderung bei Awareness-Kampagnen liegt oft darin, zum Nach- und Umdenken zu animieren, um langfristig Impact zu generieren. Unser Ansatz: Eine Kombination aus provokativen Social-Media-Posts und einer umfassenden Landing Page. Die Posts wurden bewusst kurz und prägnant gehalten, um Aufmerksamkeit zu erregen und Emotionen auszulösen. Sie dienten als „Einstieg“, um das Publikum zur Landing Page zu leiten.
Auf der Landing Page finden die Studierenden dann weiterführende Informationen, Studien und ein Glossar. Wichtig war uns dabei, nicht zu Belehren – vielmehr sollen sie inspiriert und befähigt werden, selbst aktiv zu werden.
6. Sensitivity Reading und Feinschliff
Ein weiterer entscheidender Schritt war das sogenannte Sensitivity Reading. Da das Thema Rassismus sehr sensibel ist, wollten wir sicherstellen, dass die Inhalte respektvoll und korrekt formuliert sind. Dazu arbeiteten wir eng mit dem Team vom Magazin Kohero zusammen, das sich auf Diversität spezialisiert hat. Gemeinsam überprüften wir alle Inhalte auf ihre Sensibilität und inhaltliche Korrektheit. Dieser Schritt war wichtig, um sicherzustellen, dass die Kampagne ihre Zielgruppe erreicht, ohne Betroffene zu verletzen oder missverständliche Botschaften zu senden.
Fazit: Eine Kampagne wie #UnbequemeRealitäten zeigt, wie wichtig es ist, gesellschaftliche Themen in den Fokus zu rücken und gleichzeitig ein emotionales und handlungsorientiertes Storytelling zu entwickeln. Für Unternehmen und Organisationen bedeutet das, dass eine erfolgreiche Kampagne nicht nur informieren, sondern auch bewegen muss. Nur so entsteht echte Veränderung.
Wenn auch Du auf ein bestimmtes Thema kreativ aufmerksam machen möchtest, dann lass uns ins Gespräch kommen. Gemeinsam entwickeln wir eine Strategie, die nicht nur Dein Publikum erreicht, sondern auch einen nachhaltigen Impact hinterlässt.
Update: Unsere Kampagne wurde auf -> Page vorgestellt. Lest mal rein, was sie dazu sagen!